Johann Thölde: Der vergessene Alchemist

Johann Thölde de Grevendorf

In den chemischen Wissenschaften gehörte der Alchemist und Salinist Johann Thölde zu den bedeutendsten Gelehrten 16. und beginnenden 17. Jh. Seine Schriften gab er unter Pseudonym heraus, als Mönch „Basilius Valentinus“, da er Einblicke in die theoretische Alchemie gewährt, die seit dem Spätmittelalter zur Geheimwissenschaft wurde. Allerdings erhellt er für uns die praktische Labortätigkeit der Renaissance, die für die moderne Chemie grundlegend ist.

Inhalt (für Eilige):

Johan Thölde und Grebendorf | Im Dienst des Landgrafen | Schreiben unter Pseudonym | Alchemie als Geheimwissenschaft | Saline und Salzgewinnung | Die Heilkraft der Salze | Der vergessene Alchemist | Lesedauer: 7 Minuten

Die Familie Thölde und das Salz

Die Welt Johann Thöldes ist die geheimnisumwitterte Sphäre der aufblühenden chemischen Wissenschaften des 16. und 17. Jh. sowie der alchemistischen Labore. In ihnen begegnen sich griechische Naturphilosophie, arabische Wissenschaft und mittelalterliche Geheimlehre – gewürzt mit ein Quäntchen Salz. Denn die Jagd nach dem weißen Gold ist eng mit der Familie Thölde verbunden: Johann Thölde wurde 1565 in Grebendorf (bei Eschwege an der Werra) geboren. Dort hatte sein Großvater, Valentin Thölde, Mitte des 16. Jh. vier Hufen Land als Lehen vom hessischen Landgrafen erhalten.

Von 1521 bis 1528 war Valentin hessischer Vogt (ein Verwalter) zu Germerode und von 1531 bis 1556 Vogt zu Wanfried. 1551 wurde er darüber hinaus zum Salzgrafen der Saline in Allendorf an der Werra (heute Bad Sooden-Allendorf) erhoben. Sein Sohn Sebastian Thölde, der mit der Enkelin des Kasseler Bürgermeisters, Anna Schrendteisen, verheiratet war, hatte ebenfalls einen Sitz im Allendorfer Pfänner-Ausschuss inne und besaß Anteile an der Saline. In einigen Waldstücke nahe Grebendorf wurde Brennholz für die Salzproduktion in Allendorf geschlagen und dann Werra abwärts geflößt.

Studium und Verbindung zum Landgrafen

Der spätere Alchemist Johann Thölde stammte also aus einer wohlhabenden Familie. Seine Eltern, wie auch seine beiden älteren Brüder Otto und Valentin standen im landgräflich hessischen Dienst. Johann selbst wurde zum ersten Mal in einer Urkunde erwähnt, als er sich 1580 als „Johann Thölde de Grevendorf“ an der Universität Erfurt zum Generalstudium einschrieb. Dort knüpfte er Kontakte zu den gelehrten Größen seiner Zeit.

Saline in Bad Sooden Allendorf

Die Saline in Bad Sooden-Allendorf ist bis heute in Betrieb

In gelegentlichen Hinweisen in seinen späteren Schriften deutet er an, dass das Studium in Erfurt ihm auch die Möglichkeit zu chemischen Experimenten in den Laboren der Erfurter Klosterapotheken – namentlich des Klosters Petersberg – bot. In der Bibliothek des Klosters studierte er die Schriften von Autoren wie Geber, Albertus Magnus, Hermes Trismegistos oder Aristoteles. 1583 wechselte Johann nach Jena.

Nach Abschluss seines Studiums stellte er sich in die Dienste von Landgraf Moritz von Hessen-Kassel an dessen Hof. Zu dieser Zeit nahm die Laienbildung zu, und so wurde die Beschäftigung mit den chemischen Wissenschaften auch an den großen Fürstenhöfen immer beliebter. Dem nahezu gleichaltrigen Fürsten stand Johann Thölde vermutlich in alchemistischen, praktisch-chemischen und pharmazeutischen Arbeiten zur Seite. 1594 widmete er sein erstes Buch, das Proces Buch, ein praktisches Laborhandbuch, das aus der Materialsammlung seiner bisherigen Erkenntnisse bestand, seinem „Gnedigem Furst undt Herrn“.

Anschließend arbeitete Johann Thölde im Namen des Landgrafen für kurze Zeit in der Allendorfer Saline, in der er zusammen mit seinem Bruder Otto technische Verbesserungen in der Salzgewinnung erprobte. Bis er schließlich 1599 nach Bad Frankenhausen im Kyffhäuser zog und dort eine gut betuchte bürgerliche Witwe heiratete. Auf diese Weise war er nun selbst Anteilseigner an der dortigen Salzproduktion geworden.

Basilius Valentinus: der erfundene Mönch

„Ein kurtz Summarischer Tractat, Fratris Basilii Valentini Benedichter Ordens/ vom dem grossen Stein der Uralten/ daran so viel tausent Meister anfangs der Welt hero gemacht haben/ darinnen das gantze werk nach philosopphischer art fuer Augen gestalt/ mit seiner eigenen Vorrede/ fuer etlich viel Jahren hinterlassen. Und nunmehr allen Filiis doctrinae zu gutem Publiciret und durch den Druck an Liecht bracht. Durch Johannem Thölden Hessum. Durch Bartolomaeum Hornigk. Anno M.D. IC. (1599)”

Tractat vom Stein der Weisen

So klangvoll lautet der Titel der alchimistischen Schrift über die Herstellung des Steins der Weisen, in der Johann Thölde angeblich nur als der Herausgeber fungierte. Inzwischen sind sich die Historiker fast sicher: Johann Thölde selbst ist der Autor des Traktats und gab sich mit dem Namen „Basilius Valentinus“, unter dem er drei Schriften verfasste, ein Pseudonym. Dies hatte seine Begründung.

Die Alchemie: eine Geheimlehre

Die Alchemie war seit dem Spätmittelalter fast so etwas wie eine Geheimlehre geworden. In den Klöstern war sie teilweise verboten, etablierte sich aber an den Universitäten. Der theoretische und spekulative Zweig der alchemistischen Wissenschaft war von christlichem, heilsgeschichtlichem Erlösungsdenken durchdrungen.

Ziel sollte es sein, die von Gott in der Natur verschlüsselten Geheimnisse durch die Analyse der Stoffverbindungen wieder aufzuschlüsseln. Da Gottes tiefste Geheimnisse allerdings nicht jedermann zugänglich gemacht werden sollten, außer einem wenige Auserwählte umfassenden Kreis von Gelehrten, wurde dieses Wissen durch eine metaphorische Sprache aus Andeutungen und Decknamen geschützt. Die Methode, Symbole und Bildzeichen für bestimmte Stoffe einzusetzen, wirkte sich bald auf das gesamte spätmittelalterliche Geistesleben aus und ist bis heute in unserer modernen Wissenschaft erhalten geblieben.

Die „Halliografia“, das Salzbuch des Johann Thölde

Das Verfahren, wie man denn den Stein der Weisen herstellen solle, beschreibt Johann Thölde als „Basilius Valentinus“ zum Beispiel so:

„Mach das höchste zum niedrigsten/ das sichtbare zu einem unsichtbaren/ das begreifliche zu einem unbegreiflichen/ und schaffe/ daß widerumb das niedrisgte erhöhet/ aus dem unsichtbaren wiederumb ein sichtbares/ und auß dem unbegreiflichen wiederumb ein Begreifliches werden muß/ das ist die gantze Kunst/ ganz und gar vollkommen …“

Johann Thölde

Aus diesen Worten konnten eingeweihte Gelehrte ganz konkrete Anleitungen, hier etwa zur Destillation, herauslesen. An anderer Stelle schrieb Thölde auch, dass, wer die Alchemie studieren und sie verstehen wolle, zuerst ihre Sprache beherrschen müsse.

Alchemistische Rezepte und Saline

In einem Büchlein, das Johann Thölde unter seinem eigenen Namen verfasste, behandelte er die Pest, ihre Ursachen und wie man sie vermeiden oder sogar behandeln könne. Er widmete das Buch, das 1599 erschien, dem thüringischen Grafen zu Schwarzburg – zwei Jahre nachdem in Hessen und Thüringen eine verheerende Pest-Epidemie viele Opfer gefordert hatte.

Zwischen den Zeilen hindurch scheint die gründliche Laborausbildung Thöldes auf, in der die Grenzen zwischen Alchemie und Medizin offenbar fließend waren. Er präsentiert darin auch Rezepte zur Herstellung von Arzneien, mit denen man die Pest und die Rote Ruhr behandeln könne. Sein bedeutendstes Werk aber schrieb Johann Thölde um 1603, ein Salz-Lehrbuch, die Halliographia, das über die folgenden Jahrhunderte hinweg gültige Standardwerk zum Salinenwesen.

Salzsieden beim Brunnenfest Bad Sooden-Allendorf

Salzsieden beim alljährlichen Brunnenfest Bad Sooden-Allendorf

„Unter allen Salzen aber ist den Menschen keins nüzlicher zugebrauchen/ alß das gemeine Speisesalz/ welches aus den Salzwassern gekocht und gesotten/ auch welches gediegen aus den Bergen gereicht und umbgesotten wird/ denn dieses Salz führet einen viel edlern/ subtilern Spiritum mit sich wider die andern salia, und einen lieblichern Balsam/ welcher ein Praeservatiff (Schutz)  ist des Menschlichen Leibes/ und den selben verwahret für alle Feule (…)“

Johann Thölde

In einem allgemeinen Teil beginnt der Autor mit dem Wesen und dem Ursprung der Salze, anschließend widmete er große Teile des umfangreichen Wälzers den Methoden des Salinenwesens. Detailliert schilderte er die verschiedenen Arbeitsgeräte zur Salzgewinnung, beschrieb Maße und Beschaffenheit der Einrichtungen sowie die nötigen Arbeitsschritte des Solesiedens. So etwa in der Saline in Allendorf: Dort waren sechs Pferde im Einsatz, jeweils abwechselnd in mehreren Schichten zu zweit, um den Mechanismus anzutreiben, der die Sole aus dem Brunnen pumpte.

Die Heilkraft der Salze

Danach wurde die Sole in mehreren Stufen in großen Pfannen über dem Herd eingedampft. Das Brennmaterial – hier war man in Allendorf fortschrittlich aufgestellt (heute würde man das anders sehen) – bestand teilweise schon aus Steinkohle, die auf dem nahen Meißner abgebaut wurde. Als kristallisationsförderndes Mittel wurde der soggenden Sole nun Ruß beigemischt, dieser dann mit Eidotter wieder ausgewaschen und als Schaum abgeschöpft. Wurde die Sole dick, zog man ein Tuch darüber, damit sie erkalten und auskristallisieren konnte. Anschließend wurden die Salzbrocken zum Abtropfen in Körbe geschaufelt.

Das Sald wird abgeschöpft

Aus der eingedickten Sole wird das kristallisierte Salz abgeschöpft

Auch die Halliographia enthält viele alchemistische Einflüsse. Der vierte Teil des Buches „lehret/ wie man aus allen Metallen und vornembsten Mineralien/ auch Animalien und Vegetabilien/ ihre Salia extrahieren und bereiten soll …“ Bei der Nennung der Metalle bleibt Thölde der alchemistischen Siebenzahl treu und erwähnt auch ihre Decknamen in der alchemistischen Symbolik. Gold (Sonne), Silber (Luna), Kupfer (Venus), Eisen (Mars), Blei (Saturn), Zinn (Iovi), Quecksilber (Merkur). Die Rezepte geben an, bei welchem Leiden man die Salze einnehmen soll. So helfe das Sal Solis gegen Melancholie, stärke das Hirn und die Glieder, helfe bei Gicht und anderen reißenden und stechenden Krankheiten.

Das Salz des Kupfers lindere Koliken, fördere die Menstruation; das Sal Martis helfe bei der Roten Ruhr. Das Salz des Bleis empfiehlt der Alchemist nicht, da es „verzehret den natürlichen Samen bey Mann und Weibspersonen“. Das Salz des Quecksilbers solle nur in ganz geringen Mengen eingenommen werden, es renoviere das Blut und treibe vielerlei Krankheiten aus. Auch aus Edelsteinen, Pflanzen und dem Fleisch von Tieren könne man Salz gewinnen, das der Gesundheit bei Einnahme zuträglich sei. So helfe beispielsweise das Salz, gewonnen aus einem Hering (!), mit Schwefel und Schweineschmalz zu einer Salbe verrührt, gegen die Räudigkeit und mache die Haut „gelinde, weich und zart“.

Der Alchemist: Johann Thölde

Durch seine Traktate und Bücher wurde Johann Thölde zu einem noch heute interessanten Sammler chemischen Wissens des späten Mittelalters und der Renaissance. Seine letzte Erwähnung in den Quellen nennt ihn als Bergbaubeamten im Fürsterzbistum Bamberg, bevor er zwischen 1612 und 1614 starb.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, teilen Sie ihn gerne in den Sozialen Netzwerken. Bitte unterstützen Sie meine Arbeit mit einem kleinen, frei gewählten Betrag – vielleicht für eine Tasse Kaffee – damit ich motiviert an weiteren Artikeln arbeiten kann. Weiter unten gibt es einen PayPal-Button. Vielen Dank!!

Was ich mache: Blogs | Bücher | Medien

Text: (c) Kristin Weber, Alle Fotos: (c) Kristin Weber; Korrektorat Charlotte Fondraz

Literaturauswahl:

LexMa, Stichwort: „Alchimie“; Johann Thölde, Halliographia. Gründliche unnd eigentliche Beschreibung der Saltz-Mineralien, 1612 – Nachdruck mit einem Nachwort von Hans-Henning Walter, Leipzig 1992; Basilius Valentinus, Chymische Schriften alle, so viel derer vorhanden, 2 Bd. Hamburg 1677 – Nachdruck Hildesheim 1976; Gerhard Gürmar, Johann Thölde – Salinist und Alchemist. In: Beiträge zur Kyffhäuserlandschaft Bd. 18, Bad Frankenhausen 2002, S. 82-99; Hans Gerhard Lenz, Johann Thölde, ein Paracelsit und Chymikus und seine Beziehungen zu Landgraf Moritz von Hessen-Kassel, Diss Marburg/Lahn 1981.

Das könnte Sie auch interessieren …