Mira Valentin: Reiten in Romanen – Tipps von der Autorin für gute Pferdeszenen

Mira Valentin Pferdeszenen

Das Thema: Pferdeszenen im Roman: Ob in der Fantasy oder im historischen Roman, wollen die Heldinnen und Helden sich fortbewege, ist das Pferd das Fortbewegungsmittel der Wahl. Doch nicht alle, die Bücher schreiben, haben auch schon mal auf einem Pferd gesessen und wissen, wie man reitet. Pferdeleute wundern sich dann gelegentlich, was sie da lesen – gelinde gesagt. Die Reitlehrerin und erfolgreiche Autorin Mia Valentin hat hier ihre besten Tipp für Autor*innen zusammengestellt, wie bessere Reitszenen gelingen können:


Ein Gastbeitrag von Mira Valentin[1]

Die richtige Ausrüstung benutzen

Als ehemalige Reitlehrerin fühle ich mich berufen, ein paar Tipps zu Pferdeszenen in Büchern loszuwerden, denn leider stolpere ich diesbezüglich oft über groben Unfug. Fangen wir mit der Ausrüstung an. Den Sattel kennt jeder. Darunter liegt eine dämpfende Decke oder Unterlage (gutes Versteck für Disteln oder Dornen, falls ein Antagonist dem Reiter schaden will). Vorne am Pferd wird’s komplizierter: Am Kopf befestigt ist das Kopfstück, im Maul hängt ein Gebiss (Trense oder Kandare), dieses Gebiss ist mit den Zügeln verbunden. Das Pferd wird an den Zügeln geführt. »Leinen« gibt es nur beim Fahren. Angetrieben wird das Pferd mit den Schenkeln (Schenkeldruck). Die Zügel sind zum Lenken und Bremsen da. Man klatscht sie nicht wellenförmig auf den Hals des Pferdes, um es voranzutreiben. 

Wenn ein Pferd durchgeht, sollte der Reiter dabei nicht kilometerweit am Zügel hinterhergeschleift werden, denn die meisten Pferde bleiben in einem solchen Fall nach wenigen Sprüngen stehen, da der heftige Zug im Maul sie schmerzt. Viel dramatischer und realistischer ist es, wenn der Reiter beim Herunterfallen in den Steigbügeln hängen bleibt. Das kann zum Tode führen, wenn das Pferd nicht gestoppt wird.

Echte Männer reiten Hengste

Die meisten Pferde haben drei Gangarten: Schritt, Trab, Galopp. Wer deren Bewegungen oder Geräusche beschreiben will, sollte wissen: Der Schritt ist ein Viertakt, der Trab ein Zweitakt und der Galopp ein Dreitakt. Es gibt Stuten, Hengste und Wallache (kastrierte Hengste). Im Mittelalter ritten echte Männer nur Hengste, Wallache waren was für Mönche und Stuten für Frauen. Pferde können fast 360 Grad sehen. Sie richten ihre Ohren einzeln in verschiedene Richtungen, immer dahin, wo ihre Aufmerksamkeit ist. Sie dösen im Stehen, schlafen aber im Liegen. Wenn Pferde sich hinlegen, dann knicken sie erst mit den Vorderbeinen ein, dann mit den Hinterbeinen. Beim Aufstehen stemmen sie sich auch zunächst mit den Vorderbeinen in Sitz-Position, bevor sie sich ganz erheben. Ältere Pferde legen sich gar nicht mehr hin. 

Wiehern, Schnauben, Blubbern, Grunzen und Quietschen sind übliche Lautäußerungen. Klassisch schreien können Pferde nicht. Es gibt eine Art Schrei im Kampf, aber keinen Schmerzensschrei, was von der Natur bei einem Herdentier so gewollt ist, um keine Feinde anzulocken. Pferde können nicht durch den Mund atmen. Das ist für sie anatomisch ebenso unmöglich wie das Erbrechen.

Dauergalopp auf Distanzen – lieber nicht

Pferde haben im Schritt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 3.5 bis 6 km/ h, im Trab von 12 bis 18 km/ h und im Galopp von 21 bis 35 km/ h. Die schnellsten Pferde der Welt haben Geschwindugkeiten um die 70 km/h erreicht. Professionelle Distanzreiter können eine Strecke von bis zu 160 Kilometern am Tag zurücklegen. Realistisch sind im Roman eher unter 100 km auf guten Wegen – und selbst dann wird dem Pferd sehr viel abverlangt. Pferde brauchen unterwegs nicht ständig Hafer. Aber sie müssen ausgiebig grasen und Wasser trinken können. Das Einschlagen von Hufeisen tut dem Pferd nicht weh, aber nur, wenn es richtig gemacht wird und die Hufnägel in die sogenannte »weiße Linie« des Hufes treffen, wo das Pferd kein Schmerzempfinden hat.

Pferde bekommen Depressionen und Verhaltensstörungen, wenn man sie von ihren Artgenossen trennt, sie schlecht behandelt oder Stress aussetzt. Das kann ein seltsames Rülpsen (genannt »Koppen«) sein, ein Hin- und Herpendeln auf den Vorderbeinen (»Weben«) oder andere Stereotypen. Hufescharren ist eher ein Zeichen von Ungeduld.

Das größte Pferd der Welt hatte ein Stockmaß (Rückenhöhe) von 2,19 Metern. Klassische Reitpferde in euren Romanen sind wahrscheinlich zwischen 1,55 und 1,75 Meter hoch. Das höchste Hindernis, das je von einem Pferd samt Reiter übersprungen wurde, war 2,49 Meter hoch. Im Roman eher bei 1,50 Metern bleiben, aber selbst das entspricht heutzutage einem schweren Springwettbewerb. »Normal« wäre ein Meter. Obwohl mit moderner Medizin durchaus schon Beinbrüche bei Pferden geheilt wurden, solltet ihr im Roman bei der alten Regel bleiben: Ein gebrochenes Bein bedeutet ein Todesurteil fürs Pferd. Der Schweif ist in erster Linie eine Fliegenklatsche, die Mähne taugt nur zum Festhalten und Flechten.

Ein weißes Pferd heißt Schimmel

Ein schwarzes Pferd heißt Rappe, ein weißes Schimmel, ein hellbraunes Fuchs, ein braunes Brauner. Darübner hinaus gibt es »Unterfarben« wie Isabellen, Falben, Schecken und so skurrile Bezeichnungen wie Fliegen- oder Apfelschimmel, Tigerschecken oder Stichelhaarige. Normalerweise werden Pferde zwischen 20 und 30 Jahre alt. Klassische Reitpferde wiegen meistens um die 500 kg. Mit drei Jahren werden sie eingeritten.

Pferde können einfache Stimmkommandos verstehen und ausführen. Amerikanische Ureinwohner haben ihre Tiere manchmal so ausgebildet, dass sie ihren Reiter nur auf ein geheimes Kommando hin aufsteigen ließen. Pferde sind Fluchttiere, weshalb sie im Regelfall nicht angreifen, sondern abhauen. Sie wehren sich aber, wenn sie bedroht werden. Raubtiere auf ihrem Rücken schütteln sie durch Steigen, Buckeln und sich Hinwerfen ab. Außerdem können sie treten und ausschlagen. 

Pferdeszenen auf Fehler lesen lassen

Kleiner Tipp an alle Autor*innen: Es gibt wahnsinnig viele Reiter*innen, sicherlich auch in deinem Bekanntenkreis. Lass alle deine Pferdeszenen von einer solchen Person Korrektur lesen, denn es schleichen sich immer wieder Kleinigkeiten ein, die pferdeerfahrene Leser*innen dir übel nehmen. Wie schnell wird da gleich das ganze Buch als »schlecht recherchiert« abgestempelt, und das kann man mit dieser kleinen Maßnahme leicht vermeiden. Viel Erfolg bei deinem Roman!

Über die Autorin:

Mira Valentin war lange Journalistin für Jugend-, Frauen- und Pferdezeitschriften. Seit 2018 schreibt sie hauptberuflich Fantasybücher – ein Traum, den sie seit ihrem zwölften Lebensjahr verfolgt. Gemeinsam mit Sam Feuerbach und Greg Walters bildet sie die Autorenvereinigung „Weltenbauer“. Bei Lesungen und auf Buchmessen tritt sie grundsätzlich in einem Cosplay auf, das entweder eine Figur aus ihren eigenen Büchern zeigt oder die Protagonisten befreundeter Autoren darstellt. Homepage: Mira Valentin

Mira Valentin: „In allen meinen Büchern wird viel geritten, denn ich bin der Meinung, man sollte die Dinge, in denen man viel Wissen hat, unbedingt schriftstellerisch ausschöpfen. Die schönsten Pferdeszenen gibt es vermutlich in meinem Zirkusbuch »Der Mitreiser und die Überfliegerin«

Auszeichnungen:
Gewinner des Kindle Storyteller Awards 2017 mit »Der Mitreiser und die Überfliegerin«. Gewinner Seraph 2020 Bester Independent Titel mit »Windherz« (mit Erik Kellen).Nominiert für den Skoutz-Award sowie den Deutschen Phantastik Preis 2018 und 2019 mit »Enyador«. Mehrfach BILD-Bestseller und Nummer-1-Fantasy auf Amazon mit »Enyador«.Nominiert für den Selfpublishing-Buchpreis 2020 und den Krefelder Preis für Fantastische Literatur 2020, Gewinnerin des Skoutz- Award 2021 mit »Nordblut – Wölfe wie wir«.


[1] zuerst veröffentlicht auf dem Instagramm-Kanal von Mira Valentin


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