E.S. Schmidt: „Figuren sind interessant, die nachvollziehbar handeln“

Im neuen Buch von E. S. Schmidt „Welt der Schwerter“ geht es um das Schicksal von drei Menschen, das eng miteiander verwoben ist: Eine Frau steht zwischen zwei Männern. Prinz Siluren soll die Hohepriesterin Lynn heiraten, denn nur sie kann ihm die Krone sichern. Die Eskorte für die Braut stellt jedoch Silurens Halbbruder Coridan. Da fällt die Armee des Nachbarreichs ein und überzieht das Land mit Krieg. Und als wäre dies nicht Hindernis genug: Die eigensinnige Hohepriesterin ist nicht nur der Schlüssel zum Thron, sie trägt auch das Mal der Göttin, dessen Anblick jeden Mann in Liebe zu ihr entbrennen lässt. Heldenhaft kämpft Coridan um ihre Sicherheit – und unerwartet verliebt auch sie sich in ihn. Aber darf sie ihr persönliches Glück über das des Reiches stellen?

Unterdessen bringt der König seinen Sohn Siluren vor den Kriegswirren in einer abgelegenen Burg in Sicherheit. Siluren ist kein versierter Kämpfer, allerdings könnte er mit einem Sieg endlich den Respekt des strengen Vaters erringen. Er lernt die Söldnerin Kira kennen, die in dieser Hinsicht bestärkt. Doch welchen Plan verfolgt Kira wirklich mit ihm?

Welt der Schwerter Band 1

Liebe E.S. Schmidt, was war der Ausgangspunkt für diese Geschichte?

E. S. Schmidt: Der allererste Ideen-Nukleus zu „Welt der Schwerter“ war die Kurzgeschichte einer Freundin, in der zwei sehr unterschiedliche Brüder Krieg gegeneinander führen. Mir gefiel die Idee – aber ich wollte sie nicht gegeneinander, sondern miteinander in die Geschichte schicken. Das Verhältnis der Winchester-Brüder in der Serie „Supernatural“ war auch ein Anreiz. Natürlich gibt es einen Konflikt – bei mir steht zwischen den Brüdern eine Frau und ein Thron – aber ich wollte, dass die Leserinnen und Leser sich nicht entscheiden können, wem sie beides am meisten gönnen.

Im Schreibprozess merkte ich, dass die Hauptfigur des zweiten Erzählstranges nicht etwa der zweite Bruder, sondern die Frau ist, die zwischen den beiden steht. Unverhofft entwickelte sich das ganze zu einer Geschichte, in der es um Männer- und Frauenrollen geht – natürlich verpackt in einer Menge Dramatik um Krieg und Liebe.

Welt der Schwerter Band 2

Warum schreibst du Fantasy?

E. S. Schmidt: Im Grunde sind Geschichten immer so etwas wie Sozialexperimente. Man stellt Figuren mit bestimmten Eigenschaften vor ein Problem und beobachtet, wie sie damit umgehen. In der Phantastik kann man Figuren und Umstände viel stärker ins Extrem führen als in anderen Genres. Das finde ich faszinierend. Darum stehen bei mir die Figuren und ihre Schicksale stärker im Vordergrund als der Weltenbau. Außerdem bin ich nicht eingeschränkt durch historische Tatsachen. Meine Figur des Prinzen Siluren aus „Welt der Schwerter“ wurde durch den Preußenkönig Friedrich II. beeinflusst, der als musischer, philosophisch interessierter junger Mann mit einem harten Vater konfrontiert war, der sogar der „Soldatenkönig“ genannt wurde. Die wahre Geschichte von Friedrich II. hätte ich aber niemals mit einer Liebesgeschichte verknüpfen können, wie ich es bei Siluren getan habe.

Wer sind deine Vorbilder?

E. S. Schmidt: Ich habe eigentlich weniger Autorenvorbilder als Geschichtenvorbilder. Wenn ich etwas als besonders gelungen empfinde, versuche ich herauszubekommen, wie das gemacht ist. Die Sturmlichtchroniken (Brandon Sanderson) sind unheimlich stark, was den Weltenbau betrifft. Beim „Report der Magd“ (Margaret Atwood) fand ich den Schreibstil beeindruckend, weil er eine ganz starke Nähe zur Figur schafft. „Freie Geister“ (Ursula K. Le Guin) fasziniert, weil eigentlich nichts passiert, und das Buch trotzdem einen Sog entwickelt. Inspiriert werde ich aber meistens von Geschichten, bei denen mir etwas nicht gefällt. Dann versuche ich, genau diesen Punkt anders zu machen, und dann kommt natürlich eine ganz andere Geschichte dabei heraus.

Wie arbeitest du: Plotten oder Drauflosschreiben?

E. S. Schmidt: Ich bin ein großer Freund des Plottens – aber ich „überplotte“ nicht. Im Grunde springe ich zwischen plotten und schreiben immer wieder hin und her. Fehlt der „Zug“ zum Schreiben, suche ich den Grund dafür im Plot, begeistert mich der Plot wieder, treibt mich das zurück ins Schreiben.

Passt Fantasy mit historischem Hintergrund in unsere Zeit?

E. S. Schmidt: Am Ende muss eine Geschichte immer auch etwas mit dem Leser zu tun haben. Wir lesen, weil wir etwas über uns selbst erfahren wollen, und selbst, wenn Figuren spitze Ohren haben oder vom Planeten Qo’noS kommen, interessieren sie uns gerade dann, wenn ihre Motive, Gefühle und Handlungen für uns nachvollziehbar sind.

Prinz Siluren aus "Welt der Schwerter"

Dazu kommt, dass unsere Vergangenheit uns prägt – auch die kollektive Vergangenheit der Gruppe, der wir uns zugehörig fühlen, ob wir wollen oder nicht. Das wird mir gerade auch in der Reaktion auf meine Figuren aus „Welt der Schwerter“ immer wieder klar. Warum fühlen sich heute noch viele Frauen von einem Männertyp angezogen, der den Eindruck erweckt, er könne mit bloßen Händen einen Wolf abwehren und mit einer Horde Wegelagerer fertig werden, obwohl weder das eine noch das andere uns heute tatsächlich noch bedroht? Ist für eine neue Welt nicht auch ein neues Männer- und Frauenideal erforderlich?

Prinz Siluren / Grafik: E.S. Schmidt

Muss man als Fantasy-Autorin auch recherchieren?

E. S. Schmidt: Es ist hilfreich und inspirierend. Zumeist basieren unsere Welten auf den gleichen Naturgesetzen, etwa sollte man wissen, wie weit und treffsicher man mit einem Bogen oder einem Blasrohr schießen kann, wenn so etwas in der Geschichte verwendet wird. Oder auch, ob ein Wesen, das ähnlich gebaut ist wie wir, mit einem gebrochenen Schienbein überhaupt noch weiterlaufen kann (Antwort: nein. Mit einem gebrochenen Wadenbein geht das aber schon). Unter den Phantastik-Lesern findet sich auch ein hoher Anteil an „Geeks“. Die weisen es einem schnell nach, wenn man bei solchen Dingen schludert.

Hohepriesterin Lynn aus "Welt der Schwerter"

Hohepriesterin Lynn / Grafik: E.S. Schmidt

Natürlich hat man in der Phantastik die Möglichkeit, Ausnahmen zu erschaffen etwa einen besonderen Baum für das Bogenholz oder eben Magie, aber das muss man dann in der Welt auch etablieren. Es reicht nicht, zu hoffen, dass der Leser diese Lücke schon selbst entsprechend füllen wird.

Der andere Bereich für Recherche betrifft Gesellschaft und Psychologie. Auch hier gibt es Gesetzmäßigkeiten, die Leser wollen nachvollziehbare Figuren, um mit ihnen mitfühlen und mitfiebern zu können. Dann informiert man sich als Autor eben schon, wie etwa ein Trauma überwunden werden kann, oder welche Strukturen für ein feudales System typisch sind. Und natürlich dienen Dokumentationen und Sachbücher immer wieder als Inspiration. Wenn die Autorin etwas faszinierend findet, baut sie es prompt in ihre nächste Geschichte ein.

Was ich allerdings nicht recherchieren muss sind solche Details wie: Gab es im 12. Jahrhundert schon Türklinken – ein Beispiel, das eine Autorin von Historienromanen mal erwähnt hat. Das kann ich in der Fantasy einfach „setzen“, weil ich mich – selbst wenn ich mich gesellschaftlich am europäischen 12. Jahrhundert orientieren sollte – eben nicht in dieser Zeit bewege. Vielleicht schreibe ich darum lieber Fantasy. Man kann die Recherche auf die interessanten Themen beschränken.

Was hast du noch auf dem Schreibtisch liegen?

E. S. Schmidt: In Frühjahr erscheint erst einmal ein Near-Future-Roman mit dem kryptischen Titel „RHO“. Der ist aber auch im Wesentlichen abgeschlossen. Zurzeit arbeite ich an einem neuen Fantasy-Roman, in dem es um den Umgang mit erlittener Gewalt gehen wird. Ich bin mir noch nicht sicher, ob es mehr um den moralischen oder den psychologischen Aspekt geht. Tatsächlich merke ich oft erst durch den Blick auf meine Geschichten, welches Thema mich zurzeit umtreibt. Noch köchelt die Geschichte vor sich hin, und jedes Gespräch, jede Doku oder gelesene Zeile wird von meinem (Unter-)Bewusstsein daraufhin abgeklopft, ob und was sie mit der Geschichte zu tun hat. Bin selbst gespannt, was sich da gerade so zusammenbraut.

Der Zweibänder »Welt der Schwerter« erscheint 2021 bei Lindwurm.

Über die Autorin:

E. S. Schmidt wurde 1970 in Frankfurt am Main geboren und lernte Lesen und Schreiben noch vor dem ersten Schultag durch die »Sesamstraße« – seitdem hat sie das Schreiben nie mehr losgelassen. Dem Wagnis der Schriftstellerei nicht trauend, entschied sie sich, etwas »Ordentliches« zu lernen, und arbeitet seitdem im Steuerrecht. Seit 2005 ist sie in Zeitschriften und Anthologien vertreten und hat mit ihren Kurzgeschichten mehrere Preise gewonnen. 2020 erschien die Fantasy-Trilogie »Die Chroniken der Wälder« bei dotbooks. Der ScienceFiction-Roman „RHO“ erscheint 2022 bei Plan9.

Mehr Infos über die Autorin gibt es auf ihrer Website: www.esther-s-schmidt.de oder auf ihrer Facebook-Seite: Esther.S.Schmidt.Autorin. Sie hat auch einen Instagram-Account: esther_s_schmidt

Auf ihrem Youtube-Channel gibt Esther S. Schmidt kostenlose Video-Tutorials für fortgeschrittene Autoren und Autorinnen. Es lohnt sich reinzuschauen!


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